"Ungeschriebene Regeln im CQB – Teil 2: Bedrohung und geteilte Aufmerksamkeit"

Veröffentlicht am 5. Januar 2025 um 23:13

Einführung: Die Kunst der Aufmerksamkeitssteuerung

Effektive Entscheidungsfindung und taktische Kontrolle in dynamischen Einsatzlagen stellen grundlegende Herausforderungen im Close Quarters Battle (CQB) dar. Besonders die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit eines Gegners gezielt zu stören und aufzuteilen, kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Dieser Artikel analysiert die Technik der geteilten Aufmerksamkeit und erklärt, wie sie als taktisches Mittel zur Manipulation des gegnerischen OODA-Loops (Observe, Orient, Decide, Act) eingesetzt werden kann.

Die Theorie hinter der geteilten Aufmerksamkeit

Das Konzept basiert auf der Erkenntnis, dass Menschen unter Stress nur eine begrenzte Menge an Informationen gleichzeitig verarbeiten können. Durch die gezielte Verlagerung der Aufmerksamkeit – sei es visuell, akustisch oder physisch – wird die gegnerische Wahrnehmung fragmentiert. Dies zwingt den Gegner, seinen OODA-Loop ständig zu erneuern, wodurch seine Reaktionsfähigkeit eingeschränkt wird.

Taktische Umsetzung: Unterdrückung und Flankenangriff

Ein bewährtes Beispiel für diese Methode stammt aus Operationen kleiner Einheiten. Hierbei wird eine Bedrohung zunächst durch Feuer von mehreren Positionen aus unterdrückt. Währenddessen flankieren andere Teammitglieder gezielt den Gegner und erzeugen zusätzliche visuelle und akustische Reize. Diese Mehrfachbelastung führt zu einer Überforderung des Gegners und schwächt seine Fähigkeit zur Gegenwehr erheblich.

CQB-Anwendung: Bewegung und Ablenkung

In CQB-Szenarien wird dieses Prinzip auf kleinere, schnellere Bewegungen heruntergebrochen. Ein Teammitglied fungiert beispielsweise als "Bait" (Köder) und zieht durch laute Bewegungen oder gezielte Geräusche die Aufmerksamkeit der Bedrohung auf sich. Gleichzeitig agieren andere Operatoren verdeckt und nähern sich dem Ziel aus verschiedenen Richtungen. Diese Methode zwingt den Gegner, seine Wahrnehmung auf mehrere Inputs zu verteilen, wodurch er gezwungen wird, seine Entscheidungsfindung kontinuierlich zu überdenken.

Der Einsatz von Licht zur Verstärkung der Effekte

Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz starker Lichtquellen. Ein Operator richtet eine Lichtquelle direkt auf die Bedrohung, während andere Teammitglieder verdeckt in dunkleren Bereichen agieren. Diese Taktik nutzt das natürliche Verhalten des Auges, auf Lichtquellen fixiert zu bleiben, und erzeugt eine temporäre visuelle Beeinträchtigung. Dies verschafft dem Team Zeit, sich zu positionieren oder eine Eskalation zu kontrollieren.

Psychologische Mechanismen hinter der geteilten Aufmerksamkeit

Die Methode greift auf grundlegende kognitive Prozesse zurück: Menschen reagieren instinktiv auf plötzliche Reize, die ihre Aufmerksamkeit fordern. Dies führt zu einer Verzögerung bei der Reaktion auf sekundäre Bedrohungen. Indem Operatoren diese Verzögerung taktisch ausnutzen, wird die Bedrohung in eine reaktive Haltung gedrängt und verliert die Initiative. Dies ist insbesondere in hochdynamischen CQB-Szenarien von Vorteil, in denen Sekunden über den Ausgang entscheiden können.

Praktische Trainingsansätze

Die Implementierung der Technik erfordert umfassendes Training und präzise Koordination innerhalb des Teams. Durch die Simulation realer Bedrohungsszenarien können Operatoren lernen, die Mechanismen der geteilten Aufmerksamkeit gezielt einzusetzen und gleichzeitig ihre eigene Wahrnehmung und Reaktionszeit zu optimieren. Besonders der kombinierte Einsatz von Bewegungen, Lichtquellen und akustischen Reizen sollte regelmäßig trainiert werden.

Fazit: Manipulation als taktisches Werkzeug

Die Technik der geteilten Aufmerksamkeit stellt eine effektive Methode dar, um Gegner in hochdynamischen Situationen zu überlasten und zu neutralisieren. Sie nutzt grundlegende kognitive Schwächen aus und zwingt den Gegner zu ineffizienten Reaktionen. Ihre erfolgreiche Anwendung erfordert jedoch präzises Teamwork, gezieltes Training und ein tiefes Verständnis psychologischer Prozesse.

Ausblick: Weitere Vertiefungen

In weiteren Artikeln dieser Serie werden wir uns vertieft mit psychologischen Belastungstests, der Dynamik von Teambewegungen und der Entscheidungsfindung in Stresssituationen befassen. Diese Themen ergänzen das Verständnis der hier behandelten Prinzipien und bieten fortgeschrittene Ansätze für die Optimierung von CQB-Strategien.


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